Kirchenumnutzung - Internationales Forum

Posterpräsentationen 3

Die VolkswagenStiftung hat junge Forscherinnen und Forscher, die zum Thema des Symposiums forschen, aufgefordert, sich mit einem Poster um die Teilnahme an der Tagung zu bewerben. Aus den eingegangenen Bewerbungen wurden 19 Projekte ausgewählt, die an der Tagung in vier Blöcken vorgestellt wurden. Vier Stipendiaten waren an der Teilnahme verhindert, stellten ihre Poster jedoch in schriftlicher Form zur Verfügung. Diese befinden sich in der Rubrik "Poster ohne Präsentation". Leider konnten die Posterpräsentationen nicht simultan übersetzt werden. Drei Blöcke waren auf Englisch, einer auf Deutsch.

HOLY HYDRA. Interdisziplinäre Veranstaltung in einem sakralen Raum, in dem Religion, Kunst, Clubkultur und Gesellschaft aufeinandertreffen

HOLY HYDRA ist eine interdisziplinäre Veranstaltung, die sich auf eine erweiterte Nutzung sakraler Räume konzentriert, mit dem Ziel, den Diskurs zwischen Clubkultur, Religion und Gesellschaft zu erweitern. Die Veranstaltung bietet die exklusive Möglichkeit, einen sakralen Raum aus einer neuen Perspektive zu erleben und Kunst und Kultur auf eine Art und Weise zu entdecken, die bisher kaum zugänglich gemacht wurde. Neben einem Symposium, das sich mit dem Thema des sakralen und urbanen Raums auseinandersetzt, sind zeitgenössische Tanzperformances, elektronische Musik und neue Medienkunst Teil des zweitägigen Programms. In der Verbindung von Theorie und Praxis werden folgende Fragen diskutiert: Was sind die Gemeinsamkeiten zwischen Clubkultur und Religion? Wie können sakrale Räume, wie z.B. Kirchen, auf alternative Weise genutzt werden? Inwieweit können Kirche, Kunst und Kultur voneinander profitieren? Ziel ist es, ein Bewusstsein für sakrale Bauten und deren weitere Nutzung und Erhaltung zu schaffen. HOLY HYDRA will diese architektonisch einzigartigen und kulturell und historisch wertvollen Räume erschließen, um sie über ihre religiöse Bedeutung hinaus für Menschen unabhängig von ihrem Glauben als Orte der Begegnung und des Austauschs entdeckbar zu machen. "Die (geile) Hydra" ist ein Kollektiv aus Linz (AT), das seit 2016 ortsspezifische Strategien für kulturelle Veranstaltungen entwickelt und seit 2018 die jährliche Veranstaltung "Holy Hydra" in der Pfarrkirche Urfahr - Jugendkirche "Grüner Anker" im Rahmen des Ars Electronica Festivals organisiert. - holyhydra.at

Die siebenbürgische Landschaft der Kirchenburgen: ein europäisches Erbe

 Ruth István
Name / Titel
Ruth István
Funktion
Stiftung Kirchenburgen, Sibiu/Herrmannstadt, Romania

Siebenbürgen ist berühmt für seine über 160 Kirchenburgen und deren lange Geschichte, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Damals war Siebenbürgen eine hart umkämpfte Grenzregion. Auf feindliche Angriffe reagierte die Bevölkerung mit dem Ausbau ihrer Kirchen durch Befestigungen. Im Falle von Konflikten dienten die Kirchenburgen den Dorfbewohnern als Rückzugsgebiet und Schutz. Über Jahrhunderte hinweg wurden sie verändert und wieder aufgebaut. Viele von ihnen sind bis heute erhalten geblieben und bilden zusammen die einzigartige Landschaft der Kirchenburgen, die sich durch die Dichte und Vielfalt dieses kulturellen Erbes auszeichnet. Sie sind die sichtbaren Wahrzeichen vieler Dörfer und der gesamten Region. Derzeit sind mehr als die Hälfte von ihnen in unterschiedlichem Ausmaß vom Verfall bedroht. Aus diesem Grund wurde die Stiftung Kirchenburgen gegründet. Alle von uns durchgeführten Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten folgen den strengen Richtlinien der klassischen Denkmalpflege und der traditionellen Handwerkskunst. Unser Respekt gilt den architektonischen Leistungen, der handwerklichen Qualität und dem künstlerischen Schaffen der ursprünglichen Erbauer, der Siebenbürger Sachsen. Dieser Respekt begleitet uns zu jeder Zeit. Wir wollen das Bauwerk in seiner Authentizität und seinem historisch gewachsenen Zustand einschließlich der historischen Spuren und Veränderungen erhalten, schützen und pflegen. Da die Instandsetzung von Baudenkmälern im Falle einer weiteren Nutzung der Gebäude sinnvoller und nachhaltiger ist, werden in Zusammenarbeit mit engagierten Partnern bestimmte Modellprojekte entwickelt. Die größte Herausforderung dabei ist, die sakralen und religiösen Räume zu respektieren und gleichzeitig neue Ideen und Konzepte einzubringen und zu verwirklichen.

Die Umnutzung von Kirchen im ländlichen Raum, am Beispiel der Gemeinde Wanzka in Mecklenburg-Vorpommern

Eine große Anzahl von Kirchengebäuden kann heute nicht mehr erhalten werden. Damit drohen diese Gebäude ihre Funktion als öffentliche Orte zu verlieren. Die evangelische Kirchengemeinde Wanzka in Mecklenburg-Vorpommern ist beispielhaft für diese Entwicklung. Sie verfügt seit Januar 2020 über 26 Dorfkirchen, für die zwei Pfarrerinnen und Pfarrer zuständig sind. Wie viele andere Kirchengemeinden in Deutschland steht sie damit vor dem Problem "zu vieler Kirchen". Dieser Beitrag beschäftigt sich mit dem Diskurs, wie die historischen Gebäude erhalten werden können und mit welchen neuen architektonischen Ansätzen eine zeitgemäße, respektvolle und innovative Nutzung erreicht werden kann. Die gewonnenen Erkenntnisse basieren auf einer Literaturrecherche, einer Bestandsaufnahme der 26 Kirchen und einer qualitativen Befragung von Menschen, die in der Region leben. Für die Kirchengemeinde wird deutlich, dass der Erhalt der Kirche als Raum für religiöse Aktivitäten von großer Bedeutung ist, wobei eine Abweichung von der ursprünglichen Nutzung nur im Sinne einer Verbesserung des Zusammenlebens in der Gemeinde gerechtfertigt werden kann. Auch für die Denkmalpflege ist die Nutzung einer Kirche an ihre ursprüngliche Bestimmung gebunden. Soll eine Kirche dennoch umgebaut werden, sollten Eingriffe in die historische Bausubstanz so gering wie möglich gehalten werden, damit das Denkmal nahezu unverändert bleibt. Die durchgeführte Umfrage wiederum zeigt, dass die Befragten grundsätzlich an einer Umnutzung interessiert sind. Aufgrund dieser teilweise widersprüchlichen Vorstellungen wird ein integratives Nutzungskonzept entwickelt, das versucht, verschiedene Aspekte zu vereinen und eine vielfältige Nutzung der 26 Dorfkirchen zu ermöglichen. Die einzelnen Kirchengebäude können dabei als wichtige Knotenpunkte zwischen Kultur, Gesellschaft und Kirche fungieren und die einzelnen dörflichen Strukturen innerhalb der ländlichen Gemeinschaft stärken und verbinden, wie insbesondere die beiden Entwürfe für ausgewählte Dorfkirchen zeigen.

Kirche macht Kultur. Kultur macht Kirche. Die Restaurierung der Petrikirche in Riga entsprechend ihrer historischen, sozialen und religiösen Bedeutung, und Überlegungen zur Nutzung als kulturelles Zentrum in der Altstadt

 Stefan Meissner
Name / Titel
Stefan Meissner
Funktion
Deutsche Evangelisch-Lutherische Kirche in Lettland, Riga, Latvia
 Ingrid Müller
Name / Titel
Ingrid Müller
Funktion
Deutsche Evangelisch-Lutherische Kirche in Lettland, Riga, Latvia

Seit Herbst 2018 arbeitet das lettische Parlament (die Saeima) am Entwurf des "Petri-Kirchen-Gesetzes", dessen entscheidender Satz lautet: "Mit diesem Gesetz werden der Evangelisch-Lutherischen Kirche Lettlands die Eigentumsrechte am Gebäude der Rigaer Petri-Kirche sowie an den Grundstücken und Immobilien der Deutschen Petri-Kirchengemeinde übertragen." Die Deutsche Evangelisch-Lutherische Kirche Lettlands (DELKL ist nun eine eigenständige Abteilung der Lettisch-Evangelisch-Lutherischen Kirche (LELK) und zugleich eine Auslandskirche der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die die Pfarrerinnen und Pfarrer entsendet. Die Petrikirche ist derzeit eine herrenlose Immobilie, die von einem städtischen Museumsverein verwaltet wird. Der backsteingotische Bau mit dem höchsten Turm der Altstadt verfügt aufgrund von Kriegsschäden über keine Holzkonstruktionen wie Kirchenbänke oder historische Altäre. Der Dachstuhl und der Kirchturm wurden beim Wiederaufbau im letzten Jahrhundert als Metallkonstruktionen errichtet und mit Kupferblech verkleidet. In den Turm wurde ein Aufzug eingebaut, der die Peterskirche zur meistbesuchten Sehenswürdigkeit der Rigaer Altstadt macht. Es wurden breit angelegte Überlegungen darüber angestellt, wie diese Kirche entsprechend ihrer historischen, sozialen und religiösen Bedeutung als kulturelles Zentrum in der Altstadt entwickelt werden kann.

Profanierung von Kirchen. Eine kirchentheoretische Perspektive und eine qualitative empirische Untersuchung zu einer aktuellen Herausforderung

Die Grundfrage meines Forschungsprojekts lautet: Warum ist die Profanierung einer Kirche eine so große Herausforderung für eine Kirchengemeinde - angesichts der Tatsache, dass Kirchen nach evangelischem Verständnis keine Sakralbauten an sich sind? Eine Hypothese ist, dass die Profanierung einer Kirche eine Gemeinde in ihren Grundfesten erschüttert, weil sie sie in all ihren Dimensionen (d.h. als Organisation, Institution, Interaktion und Inszenierung des Glaubens) betrifft (vgl: Jan Hermelink: Kirchliche Organisation und das Jenseits des Glaubens, Gütersloh 2011, 89-123). Diese Veränderungsprozesse wurden daher aus einer kirchentheoretischen Perspektive untersucht, um einen tieferen Einblick in ihre Dynamik zu erhalten. In dieser Analyse konnte gezeigt werden, wie sich die Profanierung einer Kirche auf eine Gemeinde in all ihren Dimensionen auswirkt und wo Möglichkeiten der kirchlichen Beratung liegen. Ergänzt wird diese Untersuchung durch eine qualitative empirische Forschung in drei Kirchengemeinden. Gegenstand dieser empirischen Untersuchung ist die Perspektive von Kirchengemeinden auf die Profanierung ihrer Kirchen. Die Analyse basiert auf einer Kombination aus teilnehmender Beobachtung von Gottesdiensten zur Profanierung sowie Einzel- und Gruppeninterviews mit Pfarrern, Kirchenältesten und mehreren Gemeindegruppen. Die Triangulation verschiedener Daten und Methoden führt zu einem tieferen Verständnis des Forschungsgegenstandes. Nach der Analyse der Einzelfälle sollen übergreifende Themen und Probleme herausgearbeitet werden. Ziel dieses Projektes ist es, ein umfassendes Konzept des Prozessmanagements im Fall von Profanierung zu entwickeln. Denjenigen, die Kirchengemeinden in dieser Übergangsphase anleiten und begleiten und die für die konkreten Profanierungsgottesdienste liturgisch verantwortlich sind, sollen erstmals grundlegende Kenntnisse und Hilfestellungen zur Verfügung gestellt werden.

Chair

 Kerstin Gothe
Name / Titel
Kerstin Gothe
Funktion
Karlsruhe Institute of Technology (KIT), Germany