Sektion 6
Die Perspektive der Öffentlichkeit
Welche Bedeutung haben kirchliche Aktivitäten für das soziale Leben im Quartier? Wie gelingt es, für die Kirchengebäude eine neue Rolle als öffentliche Orte zu finden?
Kirche findet Stadt. Die Kirche mit ihren sozialen Diensten als Partner für sozialen Zusammenhalt im Quartier
- Name / Titel
- Petra Potz
- Funktion
- Planungsbüro location3, Berlin, Germany
Die bundesweite ökumenische Plattform „Kirche findet Stadt“ wurde ab 2011 als Pilotprojekt der Nationalen Stadtentwicklungspolitik im Bundesbauministerium aufgebaut. Unter dem Titel „Innovations- und Experimentierfelder für eine partnerschaftliche Entwicklung lebenswerter Quartiere“ haben Deutscher Caritasverband und Diakonie Deutschland gemeinsam mit dem Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz und dem Kirchenamt der EKD gute Praxis untersucht und Thesen und Empfehlungen für das Zusammenleben im Quartier abgeleitet. Vier quartiersrelevante Handlungsfelder mit kirchlich-verbandlicher Beteiligung wurden zusammengeführt und strategisch diskutiert, die für die Frage des Gemeinwohls zentral sind. Sozial- und stadtentwicklungspolitisch relevante Ansätze kommen dabei gleichermaßen zum Tragen: Wohnen und Bekämpfung der Folgen von Armut und Ausgrenzung; Generationenübergreifendes Zusammenleben; Zentren und Orte der Begegnung und Integration; Gesundheitsförderung, Prävention und Inklusion.Angesichts von Mitgliederrückgängen, immer größeren Parochie- und Gemeindezuschnitten durch Zusammenlegung und auch Nachfolgeengpässen bei Pfarrern werden Fragen nach der Zukunftsperspektive in den beiden großen christlichen Kirchen lauter. Damit verbunden sind neben der Auflistung von Fehlstellen und Defiziten auch ressourcenorientierte auf neue Qualitäten ausgerichtete Ansätze zu finden. Auch in den kirchlich-verbandlichen Systemen findet ein Umdenken statt, das Chancen für eine starke Neupositionierung bietet. Orts- und raumbezogene Ansätze sozialen Handelns werden in den Wohlfahrtsverbänden Diakonie und Caritas strategisch weiterentwickelt. Welche Chancen und Potenziale für das Gemeinwohl und damit für eine größere Öffentlichkeit liegen in diesen grundlegenden Weichenstellungen für den sozialen Zusammenhalt vor Ort? Was bedeutet es für kirchlich-verbandliche Akteure, wenn sie gewohnte Pfade verlassen, Verantwortung teilen und sich auf verschiedene Handlungslogiken (wie die der Stadt- und Quartiersentwicklung) einlassen?
Wie man eine Kirche abreißt. Eine Fallstudie zu Caritas, Konflikt und Katholizismus im Ruhrgebiet
- Name / Titel
- Kim de Wildt
- Funktion
- Universität Bonn, Deutschland
In den vergangenen Jahrzehnten ist das Thema der Kirchenumnutzung, das in Großbritannien und den Niederlanden bereits ein bekanntes Phänomen ist, auch in Deutschland zunehmend in den Fokus der Gesellschaft, der Wissenschaft und der Medien gerückt. Dieses Interesse ist nicht unumstritten, wie die hitzigen Debatten zeigen, die Kirchenumnutzungen oft begleiten. Der gesellschaftliche Widerstand, der oft entsteht, wenn eine Kirche abgerissen oder umgenutzt zu werden droht, geht oft über den kirchlichen Teil der Bevölkerung hinaus. Um ein tieferes Verständnis eines solchen Prozesses, der beteiligten Akteure, ihrer Interaktionen, der Bedeutungen, die sie der religiösen Architektur zuschreiben, und der vorherrschenden Diskurse, die dabei eine Rolle spielen, zu gewinnen, habe ich einen konkreten Fall eingehend untersucht. Dabei handelt es sich um die 150 Jahre alte römisch-katholische Kirche St. Johannes Baptist, die kürzlich verkauft wurde und derzeit vom Abriss bedroht ist. Diese Kirche, die sich im Stadtteil Altenessen der Ruhrstadt Essen befindet, ist zum Streitobjekt zweier gegensätzlicher Parteien geworden. Sie hat ein erhebliches Medieninteresse auf sich gezogen und ist lokal bekannt geworden. Der Verein "Rettet St. Johannes" setzt alle Hebel in Bewegung, um den Abriss der Kirche zu verhindern. Der Fall von St. Johannes scheint ein Musterbeispiel für das zu sein, was Foucault eine Praxis der Abgrenzung nennt.
Diakonische Nutzung von Kirchenräumen im Sozialraum Stadt
- Name / Titel
- Christoph Sigrist
- Funktion
- Großmünster, Zurich, Switzerland
Kirchenräume sind einerseits Versammlungsort der Gottesdienstgemeinde, anderseits wirken sie als „öffentliches Zeichen von Religion“ (Thomas Erne) in den öffentlichen Raum. Kirchen sind ausgezeichnete Orte in Sozialräumen. Gesellschaftliche Transformationen wirken in den Kirchenraum. Kirchenräume hinterlassen Spuren in sozialräumlichen Gestaltungsprozessen. Fokussiert auf diakonische Nutzungskonzepte von Citykirchen werden Perspektiven von Gast-, Schutz- und Zwischenräumen für städtisches Leben aufgezeichnet. Dabei erweisen sich Praxiserfahrungen des Grossmünsters, Zürich, als Referenztexte für theoretische Einsichten sozialräumlicher Umnutzungskonzepte von Kirchen und Sozialräumen. „Kirche“ findet „draussen“ statt, nicht nur, jedoch auch, indem sie im interreligiösen, pluralen Sozialraum Stadt als öffentliches Zeichen von Hilfe Spuren legen und hinterlassen.
Sektionsleitung
- Name / Titel
- Petra Potz
- Funktion
- Planungsbüro location3, Berlin, Germany